Matthias: Ich habe lange mit mir gehadert, ob ich das Buch von Gloria Gray “Zurück nach Überteibling” lesen soll. Da wir jedoch zu einer artverwandten Gattung wie die Autorin gehören, jedoch ein klitzekleines bisschen weiter links unterm gleichen Regenbogen wohnen und uns allerdings noch im Original Körper befinden, den der liebe Gott oder die Vereinigung der Chromosomen für uns vorgesehen haben, war es dann doch keine Frage dieses Erstlingswerk mit dem klangvollen Namen der Autorin zu lesen. Der folgende Klappentext ist ein kleiner Appetithappen, was die Leser*innen erwartet:
Der Klappentext:
Als eines Morgens zu unchristlicher Zeit (vor 12!) ein Anruf vom Wolf kommt, dass der Toni aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, weiß die Vikki, dass sie sich au-gen-blick-lich in Sicherheit bringen muss. Schließlich hat ihr der Toni in den letzten 13 Jahren die schlimmsten Drohungen geschickt. Und wo wird man die Vikki, 41 Jahre, ums Eck vom Münchner Viktualienmarkt lebend und tatkräftige Künstlerin, niemals vermuten? Zu Hause in Übertreibling.
Meine Meinung:
Das von Humor durchtränkte Bayerisch-Hochdeutsch / Hochdeutsch-Bayrisch hat mir zunächst den Einstieg und somit das Eintauchen in das Leben von Vikki etwas schwer gemacht. Nach kurzer grammatikalischer Sortierung wurde mir jedoch klar, dass Vikki sich in höchster Gefahr befindet. Toni, der Feind aus Kinder – und Jugendtagen, als Vikki schon etwas anders, aber noch ein Bub war und ebenfalls aus dem beschaulichen Übertreibling stammt, ist nach fast abgesessener Haft aus dem Gefängnis ausgebrochen. Wieso und weshalb er es ausgerechnet auf die Vikki abgesehen hat, ist nicht nur ihr unerklärlich. Gemeinsam und mit Hilfe von Ihrem Freund, Motorradgang-Vorstand und Inhaber eines Antiquitätenladen Wolf Wolff (heißt wirklich so) muss sie nun handeln und schnellmöglichst das Weite suchen. Ihre ersten Wege sind durchaus von hoher Sprengkraft und schnell zeigt sich, dass nicht nur Vikki in höchster Gefahr schwebt. Da sie der Polizei nicht traut, bleibt dem Vollweib auf High Heels (6 cm ist Mindesthöhe) nichts anderes übrig, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Ohne Anlauf beginnt die Story mit unheimlichem Tempo und es tut sich für mich ein bunter Strudel auf, dem ich mich nur schwer entziehen konnte. Der liebevolle (Übertreib-)Schreibstil ist neben den bayrischen Elementen in einem lauen Plaudertönchen geschrieben und unterstreicht damit noch einmal zusätzlich skurrile Erscheinung der über 1,80 Meter großen Vikki Viktoria. Immer wieder werde ich auch durch direkte Ansprache total mit einbezogen. Die Handlung ist im Herzen ein Krimi und hat immer wieder gute Spannungsmomente und auch durchaus die eine oder andere Wendung. Das Buch ist ganz klar anders als ein klassischer Krimi. Wahrscheinlich eher eine Krimödie. Ja, das trifft es, glaube ich, ganz gut. Neben der transsexuellen Vikki sind auch alle anderen Charaktere etwas drüber und alleine bei den Namensgebungen sowohl der Protagonisten wie auch bei den idyllischen Dörfchen hat mir einfach nur ein breites Grinsen ins Gesicht getackert. Hier sind der im Titel verbandelte Namen “Übertreibling” oder “Mitgifsegg” wirklich nur die Spitze der Namensgebungen. Immer wieder gibt Vikki auch verbale Vollgas Attacken von sich, wo neben der Polizei auch das ach so berühmter Gendersternchen genau so eine Watschen bekommt wie die CO2 Bilanz oder andere Phänomene der Neuzeit. Es geht bei den Ermittlung irgendwie alles drunter und drüber und das ist noch eine Untertreibung. Die Langeweile ist in dieser Story entweder im Urlaub oder gerade auf der Suche nach dem Gendersternchen. Die Wendung zum Ende hin war eher ein Wenden in 10 Zügen. Es war zwar ein guter Versuch, die Spannung zu erhöhen, leider jedoch nicht unbedingt von Erfolg gekrönt. Ich habe mich trotz allem sehr gut und kurzweilig unterhalten gefühlt. Ich denke, wenn ich nach einem Buch greife, wo die Autorin den klangvollen und opulenten Namen Gloria Gray hat und im Titel “Übetreibling” steckt, dann weiß man eigentlich, was einem erwartet – und genau diese Erwartungen wurde erfüllt. Im September erscheint bereits die Fortsetzung “Grüße aus Bad Seltsam” und ich bin gespannt, wie seltsam es wird. 4 von 5 Sterne
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