Matthias: Vor zwei Jahren bin ich immer mal wieder um “Das Böse in ihr” von Camilla Way herumgeschlichen, aber wieso auch immer habe ich es dann doch nicht gelesen. Wie ich nun entdeckt habe, dass Camilla Way mit “Sie beobachtet dich” ein neues Buch am Start hat, habe ich es mir sofort vorgemerkt. Der folgende Klappentext hat dann den letzten Impuls gesetzt, diese Psychothriller zu lesen.

Der Klappentext:

Da war es wieder! Dieses Gesicht in der Menge, das Edie jedes Mal erschrocken und zitternd zurückließ. Sie blickte genauer zu der Frau, doch es war nicht Heather. War es nie. Und trotzdem fuhr ihr der Schreck in alle Glieder. Zurück in ihrer Londoner Wohnung dachte Edie wieder mal an die Zeit, als sie noch jung und voller Träume war. Bis zu dem Tag, als alles sich änderte und dunkler wurde. Plötzlich klingelt es an der Tür. Als Edie öffnet, muss sie sich am Türrahmen festklammern. Das kann nicht sein! „Hallo, Edie“, sagt Heather lächelnd und betritt die Wohnung.

Meine Meinung:

Dieses Buch hat mir wieder einmal mehr gezeigt, welche Kraft gut geschriebene Seiten haben können. Schon nach einem Kapitel hat mich eine sehr beklemmende und drückende Stimmung erfasst. Das war so dermaßen intensiv, dass ich kurz überlegt habe, dass Buch für einen anderen Zeitpunkt zur Seite zu legen. Sicherlich haben die geschlossene graue Wolkendecke und der verregnete Herbsttag vor unseren Fenstern diesen Eindruck noch einmal verstärkt. Doch die große Neugierde was dieses Buch noch bereithält, haben gesiegt. Ich lerne Edie kennen, die zurückgezogen in einem Londoner Außenbezirk lebt. Edie ist schwanger und sie hat Angst. Angst ihrer Vergangenheit zu begegnen. Angst, Heather zu begegnen. Heather und Edie waren in der Jugendzeit Freunde. Freundinnen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Edie aufreizend und fordernd – Heather hingegen eine Außenseiterin, die verspottet und gemobbt wurde. Das war in einem anderen Leben. Das liegt 17 Jahre zurück. Bis die Freundschaft an einem schrecklichen Erlebnis zerbrach, von dem sich beide bis heute nicht erholt haben. Wie heraufbeschworen taucht Heather tatsächlich auf und Edie’s Leben gerät aus den Fugen. Der kraftvolle, fesselnde Schreibstil hat schon in den ersten Kapiteln seine volle Sogwirkung entfacht. Die Geschichte wird im Wechsel aus der Sicht von Edie in der Gegenwart in “Danach” geschildert, während die Geschichte von Heather in der Vergangenheit “Davor” spielt. Im Zentrum der beiden Zeiten liegt ein ganz bestimmter Tag, nach dem nichts mehr so war wie davor. Was ist geschehen? Die Frage ist auf jeder Seite dieses Buches wie ein Wasserzeichen vorhanden. Durch die gut gewählten Perspektivwechsel konnte ich mir einen sehr guten Eindruck von den Protagonisten und dem jeweiligen Umfeld der beiden Frauen machen. Das hat es mir auch perfekt ermöglicht, in die beiden Gefühlswelten einzutauchen. Die Autorin hat die Charakter von Heather und Edie mit einem sehr feinen Stift gezeichnet, so das ich sie mit klaren Bildern vor geistigem Auge hatte. Beide haben mich auf ihre ganz eigene Art berührt. Immer wieder war ich in meinen Sympathien hin und her gerissen. Die feine und ständig vorhandene Spannung war perfekt mit den Ängsten der beiden Frauen verknüpft und hat die ohnehin schon sehr bedrückende und beklemmende Atmosphäre noch einmal deutlich verstärkt. Immer wieder hat die Autorin geschickt meine Gedanken geformt, so dass ich in der Annahme war zu wissen, was damals an dem einen Tag geschehen war. Doch ich hatte keine Chance und Frau Way hat außer den Ort nichts verraten und mein Kopfkino angekurbelt und die Spannung in Hochspannung verwandelt. Als dann endlich die Enden von „davor“ und „danach“ verknüpft wurden, war ich erschüttert, geschockt und bis ins Mark berührt. Das Buch war für mich eine hoch spannende Mischung aus Magie und hoher Schreibkunst – ein Psychothriller in Vollendung. 5 von 5 Sterne.