Matthias: Nach dem mich im vergangenen Jahr Anne Freytag mit „Aus schwarzem Wasser” so dermaßen begeistert hat, habe ich über ihr neues Buch so wirklich gar nichts gelesen und einfach zugegriffen. Nennt man das eine Blindverlesung? Ist das einfach nur Vertrauen in die Autorin oder bin ich verrückt? Ich habe schon sehr früh in den Verlagsvorschauen das Cover entdeckt und das es dieses Mal ein Roman ist, jedoch nicht einmal den folgenden Klappentext gelesen und mich einfach in das Abenteuer „Reality Show“ gestürzt. War das ein Fehler, oder konnte mich Frau Freytag mit ihren neuen Buch wieder genau so begeistern? Aber der Reihe nach. Hier erst einmal der Klappentext:

Der Klappentext:

Heiligabend: Die einflussreichsten Personen Deutschlands werden in ihren Häusern eingesperrt – und ihre Geiselnahmen live übertragen. Der Showmaster tritt vor die Kamera und erklärt die Spielregeln: »Zwar wählen die Menschen ihre Regierung, die Macht liegt jedoch längst nicht mehr beim Volk. Heute präsentieren wir Ihnen diejenigen, die wirklich entscheiden, wer zum Gewinner und wer zum Verlierer des Systems wird. Und glauben Sie mir, jeder von ihnen hat mindestens eine Leiche im Keller.« Nun haben die Zuschauer die Wahl, wer mit einem blauen Auge davonkommt und wer bluten muss. Während die Menschen wie gebannt vor ihren Bildschirmen sitzen, wird eine Frage immer lauter: Wer sind die Drahtzieher hinter der Reality Show?

Meine Meinung

Der Einstieg hat mich erst einmal mit Fragezeichen in den Pupillen zurückgelassen, aber gleichzeitig unwahrscheinlich meine Neugier geschürt. Frau Freytag, lädt mich in ganz verschiedenen Häuser ein – in große Häuser – in Häuser von scheinbar sehr reichen Menschen. Alle feiern den Heiligabend. Alle sind unfreiwillig Teilnehmer an einer Fernsehsendung, die live am Heiligen Abend auf alle Kanälen übertragen wird. Was ist der Plan? Wer steckt dahinter? Es war ja gleich schon viel los und ich hatte das Gefühl, mehr Protagonisten begegnet zu sein wie in den letzten 3 Büchern, die ich gelesen habe. Doch mit jedem der vorgestellten Protagonisten wird das Buch auch zunehmend spannender und ich will mehr davon und darüber wissen.

Dann plötzlich werde ich zur eigentlichen Geschichte geführt, die etwas in der Zukunft spielt. Deutschland wurde von der Partei dem “Rechten Weg” übernommen, doch die Bürger haben eher das Gefühl, vom “rechten Weg” abgekommen zu sein, denn die Reichen werden immer reicher und die Armen immer Ärmer. Eine Studenten WG hat das Gefühl, dass das Gleichgewicht völlig aus den Fugen geraten ist und sie wollen den Kampf aufnehmen um das Leben in Deutschland ins Lot zu bringen. Die Idee zur “Reality Show” ist geboren und Deutschland wird live im TV über das Schicksal der Superreichen ihr Urteil fällen. Das ist wirklich nur die aller oberste Spitze des Eisberges und kann sich durchaus sehr verwirrend anhören. Frau Freytag nimmt einem jedoch wirklich sehr gut an die Hand und führt einem durch das hochinteressante und äußerst gut durchdachte Konstrukt. Immer wieder werden die Perspektiven gewechselt und Zeiten gewechselt, aber auch da ist es so, dass ich aufgrund der guten Aufgliederung sehr gut umschalten konnte und so sofort wieder in der Situation war. In kurzen und sehr gut gegliederten Kapiteln bin ich immer wieder zwischen Kopf schütteln, Begeisterung und Entsetzen – und großer Bewunderung. Die Bewunderung für das, was Frau Freytag hier geschaffen hat. Die Idee und die dazu sicherlich nicht ganz einfache Recherche haben mich genauso begeistert wie der fesselnde Schreibstil. Die Bilder, die Frau Freytag mit dem detailreichen und wortgewaltigen Schreibstil formt sind so klar und haben mir durchgehend das Gefühl gegeben, wirklich live dabei zu sein. Das Ende war dann deutlich mehr Thriller wie Roman und ich bin mit offenem Mund vor dem Buch gesessen und musste wirklich lange über das Gelesene nachdenken. Selbst heute, einige Tage später bin ich noch ganz gebannt, und immer wieder gehen die meine Gedanken zu dem Buch zurück. Ich habe es nicht bereut, dass ich vorab zu dem Buch keinerlei Information gelesen habe. Das Buch ist wieder einmal aus der Kategorie “Tafelsilber” – und etwas wirklich ganz besonders, dass nur zu bestimmten Anlässen herausgeholt wird. Wirklich großes Kino und es lohnt sich sehr, durchaus, zwischendurch mal etwas verwirrt zu sein.