Matthias: Ganz unermüdlich schafft Frau Slaughter die Kunst, jedes Jahr einen neuen dicken Thriller an den Start zu bringen. Die wirklich große Menge gebundene Seiten (also fast ein Kilo Buch) hat mich auf der einen Seite immer sehr neugierig gemacht, mich aber auch gleichzeitig immer davon abgehalten, ein Werk von ihr zu lesen. “Die Vergessene” ist jetzt also meine Premiere von Karin Slaughter.
Der Klappentext / Die Rückseite des Buches:
Ein Highschool-Abschlussball in Longbill Beach, 1982. Sorgfältig macht sich Emily Vaughn für den Höhepunkt ihrer Teenagerzeit zurecht. Aber Emily verbirgt ein Geheimnis. Und wegen dieses Geheimnisses wird sie die Nacht nicht überleben. Vierzig Jahre später erhält Andrea Oliver, frisch gebackener US-Marshal, ihren ersten Auftrag: Sie soll eine Richterin in Longbill Beach beschützen, die Morddrohungen erhält. Doch Andrea verfolgt in erster Linie eine eigene Mission: Sie möchte herausfinden, was mit Emily Vaughn geschehen ist. Seit Andrea Emilys Namen zum ersten Mal hörte, wird sie von deren brutalem Tod heimgesucht. Niemand wurde jemals verurteilt, die Freunde schwiegen eisern, die Familie verschloss sich vor Trauer, alle haben einfach weitergemacht – und der Mörder ist immer noch auf freiem Fuß …
Meine Meinung:
1980: Emily ist fast 18. Ein junges Mädchen aus behütetem und reichem Elternhaus. Nach einer Party mit ihren Freunden, die sie schon seit Kindertagen kennt, ist sie nun schwanger. Sie kann sich an nichts aus dieser Nacht erinnern. Sie war zuvor noch nie mit einem Jungen zusammen. Emily ist schockiert, ihre Eltern sind völlig erschüttert und ihre Clique wendet sich von ihr ab. Die Frage, was geschehen ist und wer der Vater ist, quält sie und sie findet keine Antworten. Emily fühlt sich alleine. In der Nacht ihres Abschlussballs wird Emily brutal überfallen. 40 Jahre später hat Andrea ihren ersten Einsatz als US-Marshall. Ihre Aufgabe ist es, eine Richterin zu beschützen, die Morddrohungen erhält. Doch es ist nicht nur der Schutz der Richterin, der Andrea in die beschauliche Kleinstadt führt, sondern vor allem der Cold Case um die getötete Emily. Ein Fall, der bis heute nicht aufgeklärt wurde. Andrea hat zu diesem Fall einen ganz persönlichen Bezug und so ermittelt sie heimlich. Das Leben von Emily hat mich sofort gefangen genommen. In sehr intensiver und beklemmender Art wird die Hilflosigkeit und die Ausgrenzung im Zusammenhang mit ihrer unerwarteten Schwangerschaft beschrieben. Schon zu diesem Zeitpunkt zeigt die Autorin ihr ganzes Können, Gefühle zu transportieren. Ich war völlig gebannt von dem Schicksal und habe die Worte zu perfekten Bildern zusammengesetzt und ihre Empfindungen zu meinen eigenen gemacht. Bei allen Emotionen hat Frau Slaughter jedoch alle Handlungen gleich zu Beginn mit einer leisen mitlaufenden Spannung unterlegt und so schon früh den Grundstein für einen Thriller gelegt. Die Geschichte besteht aus zwei Handlungssträngen. Einen in der Vergangenheit, der Emily begleitet und den der jungen US-Marschall Andrea, die es mir mit ihrer offenen Art sehr leicht gemacht hat, sie zu mögen. Ihre Lebensgeschichte und wieso sie Marshall werden wollte spielt in dem Zusammenhang mit Emily durchaus eine Rolle, jedoch hat die Autorin eher den Fall in den Vordergrund gestellt und nicht die persönliche Verbindung. Der Klebstoff für beide Stränge ist die Frage, was damals mit Emily geschehen ist. Während ich Emily in der Vergangenheit begleite und dabei ihre Familie, Clique und Wegbegleiter kennen lerne, war es sehr interessant, mit Andrea in der Gegenwart einen Teil der Clique wieder zu treffen und was aus ihnen geworden ist. Fragen, die in der Vergangenheit gestellt wurden, werden auch 40 Jahre später wieder gestellt und führen nun mit Abstand und der Sicht eines Erwachsenen zu neuen Erkenntnissen und grausame Details fördern sich langsam an die Oberfläche. Doch nicht nur die alten Freunde, auch die Familie von Emily werden mit ganz anderen Augen dargestellt. Der Fall zeigt sich immer mehr als komplexes und stellenweise verworrenes Konstrukt, doch die Autorin hat es geschafft, mich mit geübter Hand durch die Seiten zu führen. Mit geschickt ausgedachten Wendungen hat Frau Slaughter immer neue Bilder geformt und den Spannungsbogen immer wieder ans Limit getrieben. Selbst als ich dachte, dass ich mich nun auf der Zielgerade befände, hat die Autorin mich noch einmal durch den Kreisverkehr gejagt und damit dem großen Geheimnis erst kurz vor Ende ein Gesicht gegeben. Ein wirklich sehr ausgetüftelter Thriller, der mich in jeder Hinsicht überzeugt hat. Ich glaube, ich bin ein Karin Slaughter Fan und werde nun einmal im Jahr fast ein Kilo spannender Thriller verschlingen. Na dann, guten Appetit! 5 von 5 Sterne
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