Matthias: Im vergangen Jahr habe ich mit “Die treue Freundin” mein erstes Buch von Lisa Unger gelesen. Ich war von der Story und der Atmosphäre so dermaßen begeistert, dass ich mich sehr gefreut habe, dass nun ein neues Buch der Autorin erscheint. Der Klappentext zu “Die folgsame Tochter” hört sich jedenfalls wieder einmal sehr spannend an.

Der Klappentext:

Als Selena im Zug einer jungen Frau begegnet, ist sie sogleich fasziniert von Marthas Offenheit und vertraut ihr ein Geheimnis an: Selena fürchtet, dass ihr Ehemann sie mit der Babysitterin betrügt. Nur wenige Tage später ist die Babysitterin spurlos verschwunden und Selena die Letzte, die sie sah. Während die Polizei beginnt, in Selenas Umfeld zu ermitteln, erinnert diese sich plötzlich an Marthas Frage: „Was wäre, wenn dein Problem einfach so verschwinden würde?“ Selena ist zutiefst beunruhigt …

Meine Meinung:

Nach einem recht düsteren Prolog tauche ich in das Leben von Selena ein. Jung, gut aussehend, beruflich erfolgreich, ein schönes Haus, 2 Kinder, ein Kindermädchen und einen Mann, der zu Zeit auf der Suche nach einem neuen Job ist. Doch die neu angebrachte Nanny Cam reißt ihr Leben aus den Fugen. Sie entdeckt, wie ihr Mann Graham sie mit dem Kindermädchen betrügt,… nicht das erste Mal. Am nächsten Tag erscheint das Kindermädchen nicht mehr zu Arbeit und ist spurlos verschwunden. Im Zug nach Hause lernt sie Martha kennen, zu der sich auf seltsame Weise hingezogen fühlt und erzählt ihr, dass ihr Mann sie betrügt – auch Martha erzählt ihr ein Geheimnis. Der Schreibstil ist, wie ich ihn schon im letzten Buch der Autorin kennen und mögen gelernt habe, sehr detailliert und atmosphärisch sehr dicht – oftmals auch sehr beklemmend. Die Geschichte wird aus verschiedenen Sichtweisen erzählt, jedoch im Löwenanteil von Selena. Sofort legte die Autorin die komplette Gefühlswelt von Selena offen und ich konnte ihre Gedanken und Reaktionen sehr gut nachvollziehen. Das Gefühl der betrogenen Ehefrau, die damit nagenden Zweifel und aber auch die Hoffnung, dass es doch nicht so ist, wie es darstellt, hat Frau Unger mit unfassbarer feiner Feder gezeichnet, so dass ich seitenlang eine Gänsehaut und ein Tränchen im Augenwinkel hatte. Neben der Perspektive von Selena gab es noch weitere Perspektiven, die ebenfalls mit einer unglaublichen Intensität ausgestattet waren, jedoch fand ich es zunächst unglaublich verwirrend und die eine oder andere Sichtweise war mir auch zu viel. Die Ausarbeitung der Nebencharakteren und besonders das recht seltsame Gefühl zu Martha und die Beleuchtung ihres Lebens war zwar wichtig für den Fortschritt der Story, jedoch hat sich das unglaublichem die Länge gezogen. Das hat für mein Geschmack nur eines zur Folge, dass das doch recht zarte Spannungspflänzchen wieder verblüht ist und meine innere Stimme meinte: “Die Route wird neu berechnet”. Wie wenn die Autorin meine Gedanken belauscht hätte, so wurden die Perspektiven klarer und die Spannung nahm deutlich zu. Das war jedoch dann wieder das andere Extrem, denn es passierte alles und vor allem ganz viel auf einmal. Das Ende und die damit verbundene Auflösung hat mich jedoch in nahezu allen Teilen versöhnlich gestimmt. Das Konstrukt war wirklich perfekt durchdacht und die Verknüpfungen der losen Enden hat mich sprachlos gemacht. Der Weg dahin war durchaus schwierig, aber er hat sich gelohnt. Ich tue mich schwer mit so Schubladen wie “Frauen Thriller”, doch ich glaube, dass dieses Buch aus Sicht einer Frau noch einmal wesentlich intensiver aufgenommen werden kann. Ein perfektes Thriller Netz mit tiefen Gefühlen und leider nur Spuren von Spannung. 4 von 5 Sterne