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Das versunkene Dorf I Olivier Norek

Matthias:Wenn wir uns tatsächlich mal einen Film anschauen, dann versuche ich mich durchzusetzen, denn ich schaue sehr gerne französische Krimis oder Komödien. Ich finde, sie haben ein ganz eigenen und nur schwer zu beschreibenden Humor. Meine Erfahrung mit französischen Autoren bzw. Bücher war bisher jedoch nicht noch nicht von großer Begeisterung gekrönt. Nun habe ich den „Geheimtipps“ von Olivier Norek entdeckt und bin durch den folgenden Klappentext und auch eine sehr spannende Leseprobe neugierig geworden.

Der Klappentext:

Die Kommissarin Noémie Chastain erleidet ein schweres Trauma, das sie mithilfe eines Psychologen allmählich überwindet. Dennoch schieben ihre Vorgesetzten sie mit einem Routineauftrag in die Provinz ab, in das Dorf Avalone. Doch so beschaulich es hier ist, so freundlich ihre neuen Kollegen auch sind – so unheimlich ist dieVorgeschichte dieses Ortes, auf die Noémie durch einen grausigen Fund stößt.

Meine Meinung:

Selten hat mir ein Einstieg in ein Buch so zugesetzt. Die Spannung und die aufgeladene Atmosphäre waren von Beginn an zum Greifen nah. Die junge Polizistin Noémie wird bei einem Einsatz schwer verletzt. Ihr Gesicht ist für alle Zeit entstellt. Nur ganz langsam erholt Sie sich doch fühlt sich nur von Platten und Narben zusammengehalten, mehr als Monster wie als Mensch – und schon gar nicht als Frau. Ihr Freund und Kollege sowie ihr Chef können mit ihrem entstellten Äußeren nicht Leben und Noémie wird kurzer Hand unter einem Vorwand 4 Wochen zu einer ganz kleinen Dienststelle in der Provinz versetzt.  Dort trifft sie auf ein kleines Team und eine Gemeinde, wo jeder jeden kennt. Natürlich ist sie mit Ihrem entstellten Gesicht eine Sensation. Noémie versucht in diesem Idyll zur Ruhe zu kommen und entgegen aller Erwartungen ist das neue Team sehr freundlich und offen zu ihr. Plötzlich taucht in dem gestauten See des Dorfes eine Tonne auf, in der die Leiche eines Kindes steckt, dass gemeinsam mit zwei anderen 10-jährigen Kindern seit 25 Jahren als entführt galt. Vor 25 Jahren wurde die kleine Gemeinde umgesiedelt und das alte Dorf geflutet, um einem Stausee zu weichen. Wie sich herausstellt, hat nicht nur geflutete Dorf seine Geheimnisse und Noemie befindet sich mitten in einem spannenden Cold Case wieder. Nur selten habe ich mich mit einer Protagonistin so verbunden gefühlt wie bei Noémie. Von den ersten Zeilen an ist es dem Autor gelungen, mir das Schicksal der jungen Frau an die Hand zu geben und hat mir gestattet, in ihre Seele zu sehen. Ich hatte das Gefühl, mit ihr die Blicke auf mir zu spüren, die Ablehnung zu erfahren, aber auch den Selbsthass, der sie fasst zerfrisst. Der ständige innere Kampf mit ihrer Entstellung umzugehen, Menschen zu begegnen, denen ihr Gesicht zu zeigen, sich selbst im Spiegel anzusehen, die Ablehnung zu erfahren ist so intensiv, dass ich mehrmals eine Träne aus dem Augenwinkel wischen musste. Doch bei aller Ernsthaftigkeit um die Narben der jungen Frau hat der Autor auch geschickt und mit allem Respekt auch den ganz feinen und typisch französisch sarkastischen Humor nicht vergessen. Die liebenswerte Ermittlerin hat sich mit der Zeit ganz neu entdeckt wieder Nähe zugelassen und ich durfte sie auch dabei auf wunderschön beschriebene Art und Weise als Teil Ihres Lebens begleiten. Doch auch alle anderen Charaktere sind mit großer Sorgfalt und Liebe zum Detail gezeichnet und passen perfekt in diesen Roman. Die Idee, dass ein Dorf identisch nachgebaut wird, umgesiedelt und das alte Dorf geflutet wurde, hat mich sehr fasziniert. Dass dort auf dem Grund die Antworten auf die Fragen von verschwundenen Kinder liegen, hat der schon ohnehin emotional aufgeladenen Story eine ganz besondere Mystik verliehenen. Mit unwahrscheinlich viel Liebe zum Detail lässt der Autor das kleine Dorf Avalone und seine Mitbewohner vor meinem geistigen Auge entstehen und hat mir damit wundervolle Bilder gezeichnet. Die sehr spannend geführten Ermittlungen, die geschickt geknüpften Verbindungen und den damit ständig veränderten Entwicklungen waren durchweg fesselnd und ich mich direkt eingebunden gefühlt.  Mehrmals hat mich der Autor mit thrillerartigen Wendungen total überrascht und ich war chancenlos, dieses besondere Spannungsbündel aus den Händen zu legen. Ein Buch der Extraklasse. Spannung, Dramatik, Mystik und Liebe machten dieses Buch für mich zu einem Highlight und einem unvergesslichen Leseerlebnis. 5 von 5 Sterne

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Das versunkene Dorf

Autor*in: Olivier Norek
Seiten: 386
Veröffentlicht: März 2022
ISBN: 3896676644
Verlag: Blessing Karl Verlag
Copyright: Blessing Karl Verlag