Matthias: Das wunderschöne Cover hat mich beim Besuch in der Buchhandlung sofort angesprochen. Leider habe ich es nach dem Blick auf die Rückseite wieder zurückgestellt, denn das Erste, was ich gelesen habe, war „1893“. Das ist weder meine Zeit noch mein Genre. Tom hat es dann noch einmal genauer angeschaut und meinte nach ein paar Seiten reinlesen: „Das ist auf jeden Fall was für dich“ Habe ich mich zu schnell von der Jahreszahl blenden und verunsichern lassen? Ist 1893 in Wirklichkeit gar nicht die Jahreszahl, in der das Buch spielt? Ein zweiter Blick auf den folgenden Klappentext und ein paar Zeilen reinschmökern hat mich dann doch sehr neugierig gemacht und ich habe meinen ersten historischen Roman gelesen.
Der Klappentext:
1893: Augustin Rothmayer ist Totengräber auf dem berühmten Wiener Zentralfriedhof. Ein schrulliger, jedoch hochgebildeter Kauz, der den ersten Almanach für Totengräber schreibt. Seine Ruhe wird jäh gestört, als er Besuch vom jungen Inspektor Leopold von Herzfeldt bekommt. Herzfeldt braucht einen Todes-Experten: Mehrere Dienstmädchen wurden ermordet – jede von ihnen brutal gepfählt. Der Totengräber hat schon Leichen in jeder Form gesehen, kennt alle Todesursachen und Verwesungsstufen. Er weiß, dass das Pfählen eine uralte Methode ist, um Untote unter der Erde zu halten. Geht in Wien ein abergläubischer Serientäter um? Der Inspektor und der Totengräber beginnen gemeinsam zu ermitteln und müssen feststellen, dass sich hinter den Pforten dieser glamourösen Weltstadt tiefe Abgründe auftun.
Meine Meinung:
Mühelos und ohne Anlauf bin ich zu meiner völligen Überraschung in die Zeit und in die Geschichte eingetaucht. Der Schreibstil hat mich von Anfang an mitgerissen und eine unfassbare Sogwirkung entfacht. Ich habe mich plötzlich in einer mir bisher völlig fremden Welt mit Pferdekutschen, Petroleumlampen und Frauen mit großen Roben gefunden. Der unfassbar authentische Schreibstil hat mir ohne Mühe die Menschen, den Alltag, die Stadt und alles damit Verbundene nahegebracht. In gleichem Maße bin ich auch in das Leben von Leo eingetaucht.Der von Graz nach Wien versetzte Polizeiagent Leo gerät schon an seinem ersten Tag an einen bizarr anmutenden Leichenfundort. Leider kommt Leo bei seinen Kollegen mit seiner recht überheblichen Art genau so wenig an wie die neuen Ermittlungsmethoden, die er anwendet. Schnell wird klar, dass es Leo nicht leicht haben wird. Ein unspektakulärer Selbstmord und die bestialischen Morde von Dienstmädchen ist der Stoff, der Leo an seine Grenzen bringt. Mit seinen eigensinnigen Ermittlungen wirbelt Leo nicht nur jede Menge „Staub“ auf, sondern ziehen ihn in die schmutzigen Tiefen von Macht und Intrigen. In seinen Ermittlungen kreuzen auch die Telefonistin Julia und der Totengräber Augustin Rothmayer seinen Weg. Diese beiden genialen Figuren sind für mich zweifelsfrei die heimlichen Stars dieses Buches. Der fesselnde Charme der einfachen Telefonistin und das Fachwissen des kauzigen Totengräbers sind so perfekt inszeniert und ausgearbeitet, dass ich Herrn Pötzsch dafür an Ort und Stelle einen Preis dafür überreichen möchte. Zu Beginn jeden Kapitels werden in einem „Almanach für Totengräber“ die jahrelangen Erfahrungen und interessanten Beobachtung mit Leichen bzw. dem Tod von Totengräber Augustin Rothmayer zitiert. Das ist perfekt zu dem daraus folgenden Kapitel eingebaut und sehr interessant. Neben der durchgehend hohen Spannung in den Fällen werden in der Story perfekt die brisanten Themen wie Kinderschändung und Antisemitismus eingefügt. Für mich ist das Buch eine Meisterleistung und eine glatte eins mit allen Sternchen, die ich finden kann. Was für ein Auftakt! Hochinteressante Fälle, fantastischen Charakteren und mit allem Schmäh, das Wien 1893 ins Heute transportiert. Manchmal muss man einfach seine Komfortzone verlassen, um so einen Schatz finden. 5 von 5 Sterne.
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