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Turmgold I Peter Grandl

Matthias: “Der Turmschatten” war für mich nicht nur ein Jahreshighlight, sondern einer der größten Überraschungen in meinem Leseleben. Ein Buch, das sich mit deutscher Kriegsgeschichte und den Auswirkungen beschäftigt, würde ich eigentlich erst gar nicht lesen. Zum Glück habe ich mal wieder meine Komfortzone verlassen und die Leseprobe gelesen, die schon nach wenigen Zeilen eine spannende Verbindung in die Gegenwart geschaffen hat und mich völlig gebannt durch diesen Appetitanreger gezogen hat. Nun war ich sehr gespannt, ob “Turmgold” halten kann, was “Turmschatten” versprochen hat. Vorab möchte ich eines jedoch schon verraten, meine Rezension ist etwas länger geworden.

Der Klappentext / Die Rückseite des Buches:

Zehn Jahre nach der Aufsehen erregenden Geiselnahme: Der Hochbunker beherbergt mittlerweile einen jüdischen Kindergarten. Als dieser Ziel eines rechtsradikalen Attentats wird, rückt der Turm erneut ins Zentrum von Medien und Politik. Zehn Kindern und zwei Betreuerinnen gelingt zunächst die Flucht in die geheimen Katakomben des Turms. Doch dort lagert verschollenes Nazigold, für das mancher bereit ist, zu töten. Während die Polizei alles daran setzt, die Kinder aus den Fängen der Terroristen zu retten, verfolgen dunkle Mächte ganz andere Interessen und sind bereit, die Befreiung zu sabotieren.

Meine Meinung:

Buch auf und es ist zunächst ein kleines Wiedersehen. An dem Tag und dem Ort, wo das Leben sie auf grausame Weise und aus unterschiedlichen Gründen zusammengeführt hat: Der Turm. 10 Jahre ist es her, als  Ephraim Zamir 3 Neonazis in seine Gewalt nahm und die Zuschauer weltweit über Tod oder Leben entscheiden ließ. An diesem Ehrentag sind auch ungeladene Gäste dabei wie ein Scharfschütze, der auf der Lauer liegt und durch das Zielfernrohr auf den “Ehrengast” wartet. Inzwischen ist aus dem Turm ein wunderschöner jüdischer Kindergarten geworden, in dem das Leben tobt. Doch einer der damals überlebenden Geisel hat noch immer nicht mit dem Tag und der Tat von damals abgeschlossen und ein neues grausames Spiel in und um den Turm nimmt seinen Lauf. Damit noch nicht genug, denn zwischenzeitlich liegt die Vermutung nahe, dass sich in dem Turm das lang verschollene Nazigold langert und das ruft natürlich Schatzjäger auf den Plan, die ebenfalls nur ein Ziel vor Augen haben: Der Turm. Nach wenigen Sätzen bin ich wieder gefesselt und gebannt und folge den einzelnen Strängen wie an der Schnur gezogen. Es ist zum einen ein Wiedersehen mit “alten” Bekannten, aber auch mit Charakteren, die im ersten Teil in zweiter oder dritten Reihe standen, die nun in den Vordergrund treten. Die Vielzahl der Protagonisten kann einem durchaus verwirren, jedoch führt mich die Hand des Autors geschickt durch dieses Handlungslabyrinth. Die bildhafte Beschreibung der Charaktere gibt ihnen eine unglaubliche Lebendigkeit, so dass ich ihre Gedanken und ihre Gefühle, aber auch ihre Rolle in der Story sehr gut verstehen konnte. Wie im ”Turmschatten”  springt Herr Grandl immer wieder in verschiedene Zeiten und verbindet damit erschütternde Tatsachen unserer deutschen Geschichte mit aktuellen Ereignisse, die unsere Welt für ein paar Tage beschäftigt haben und dann wieder im Brei aus Alltag und neuen Nachrichten untergegangen sind. Dieser Mix aus dunkler Historie und dem daraus noch immer vor sich hin köchelnden Sumpf der Gegenwart ist für mich das Salz in der Suppe dieses unvergleichbaren Thrillers. In dieser Fortsetzung nennt Herr Grandl schonungslos und klar aktuelle Parteien sowie Ross und Reiter und auch deren mutmaßliche Absichten sich unter der Oberfläche der Demokratie still und heimlich weiter ausbreiten. Es hat mich erschüttert und immer wieder zum Nachdenken gebracht. Bei allen Wahrheiten darf man jedoch nicht vergessen, dass es sich auch um einen von Beginn an von Spannung durchtränkten Thriller mit fiktiven Handlungen handelt, dessen lose Enden aus den  Kapitel Stück für Stück zu einem unglaublichen Netz verknüpft werden. Immer wieder schiebt Peter Grandl die Regler zwischen tiefen Emotionen und großen Schockmomenten und treibt mich so in einer Gefühlsachterbahn durch die Seiten. Besonders angefasst haben mich die Teile mit der kleinen Maja, aber auch das Wiedersehen mit Karl Rieger, dem ehemaligen Anführer aus dem ersten Teil. An der Stelle möchte ich dazu auch gar nicht mehr schreiben, denn sonst würde ich spoilern und möchte, dass ihr diesen Gefühlsrausch unvoreingenommen selbst erleben könnt. Dass es in diesem Teil um ein geplantes Attentat auf einen Kindergarten geht, ist ja schon seit dem Klappentext kein Geheimnis mehr.
Ich war mir zunächst etwas unsicher, ob ich es gut finde, dass der Autor in diesem Buch die „Kinderkarte“ spielt. Ich kann es nur bedingt gut heißen, finde jedoch es auch ein ganz klares Zeichen, dass die braune Wolke auch nicht vor den schwächsten unserer Gesellschaft Halt macht und wir sie davon bewahren müssen! Wie im Finale die einzelne Enden miteinander verbunden wurden, war für mich ganz klar aus dem Thrillerfundus für Fortgeschrittene und hat ihr Ziel, mich gewaltig zu überraschen, nicht verfehlt. Selbst im ruhigen Gewässer des Epilogs hat Herr Grandl noch einmal für Überraschungen gesorgt, die ganz klar in Richtung Fortsetzung zeigen. Die damit verbundene Recherche und vor allem die detailreichen und selbst für nicht politisch oder geschichtsinteressierten Menschen so verständlich auszuarbeiten, kann ich nur mit meisterhaft bezeichnen. Zusammenfassend weiß ich gar nicht wie ich dieses Werk beschreiben soll. GRANDLios? Beeindruckend? Wahnsinnig? Eines ist jedoch klar. Dieses Buch setzt kein Ausrufezeichen, das Buch selbst ist ein Ausrufezeichen, sowie ein Mahnmal und ein Jahreshighlight 5 von 5 Sterne

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Turmgold

Autor*in: Peter Grandl
Seiten: 588
Veröffentlicht: Dezember 2022
ISBN: 3492063225
Verlag: Piper Verlag GmbH
Copyright: Piper Verlag GmbH