Matthias: Immer wieder sind mir die wunderschönen Bücher von Viveca Steen begegnet, doch waren es zu dem Zeitpunkt immer laufende Serien, in die ich nicht mehr einsteigen wollte. Nun hat Frau Steen mit der Polarkreis-Krimi Reihe um Hanna Ahlander eine neue Reihe am Start. Ein Blick auf die Rückseite von “Kalt und still” hat mir gezeigt, dass ein verschwundenes Mädchen, eine junge Kommissarin und Minus 20 Grad die richtigen Zutaten für einen gemütlichen Leseabend von dem Kamin sind.
Der Klappentext / Die Rückseite des Buches:
Hanna Ahlander ist 34, als ihre Welt kurz vor Weihnachten in sich zusammenfällt. Ihr Freund verlässt sie für eine andere und ihr Vorgesetzter legt ihr nahe, den Dienst bei der Stockholmer Polizei zu quittieren. Nachdem sie nicht bereit war, einen kriminellen Kollegen zu decken, stellt sich das Polizeikorps gegen sie. Zum Glück gibt es in dieser Männerwelt auch Frauen: Etwa ihre ältere Schwester, die sie flugs nach Åre schickt in ihr leer stehendes Ferienhaus. Hanna badet noch in Selbstmitleid, als eine Vermisstenmeldung sie erreicht. Nach einer Party ist die junge Amanda nicht nach Hause gekommen. Bei Minus 20 Grad zählt jede Stunde. Hanna beteiligt sich an der Suchaktion und hält Augen und Ohren offen. Bald weiß sie mehr als die örtliche Polizei …
Meine Meinung:
Nach einem Gänsehautprolog lerne ich Hanna kennen. Ihr Tag ist alles andere als gut verlaufen. Erst teilt ihr Chef ihr mit, dass sie bei der City Polizei nicht mehr erwünscht ist und sie sich einen neuen Job suchen kann, und am gleichen Abend eröffnet ihr ihr Freund Christian, dass es zwischen ihnen aus ist. Schlechter kann ein Tag nicht laufen. Als sie schluchzend ihrer Schwester von den Ereignissen erzählt, nimmt diese die Sache in die Hand und Hanna findet sich schon einen Tag später in dem zur Zeit leerstehenden Ferienhaus ihrer Schwestern wieder. Zur selben Zeit wird in dem kleinen Skiort die 18 Jährige Amanda vermisst, die nach einer Party nicht nach Hause gekommen ist. Der junge Kommissar Daniel organisierte Suchtrupps macht sich auf die Suche in der verschneiten Landschaft nach der jungen Frau zu suchen. Nach mehreren dunklen Tagen aus Alkohol und Selbstmitleid schließt sich auch Hanna den Suchtrupps an. Ein paar Zufälle und ein paar schicksalhafte Begegnungen später ist Hanna wieder zurück im Sattel und hat eine befristete Stelle bei der örtlichen Polizei. Da sie im Vorfeld schon auf eigene Faust recherchiert hat, ist sie in den Ermittlungen sofort im Zentrum der Geschehnisse und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Kalt und still ist wirklich nur die tief verschneite und schroffe Landschaft bei minus 20 Grad. Von Beginn an hat mich ein warmer und heimeliger Schreibstil in Empfang genommen und in die einzelnen Leben und damit verbunden Schicksale gebracht. Mit gutem Augen für Wesenszüge und in liebevollen Details für Besonderheiten waren die Protagonisten von Beginn an mit großer Sympathie gezeichnet und in der Geschichte platziert. So lerne ich Hanna und Daniel nicht nur in ihrer aktuellen Situation kennen, sondern erhalte auch in kurzen Sequenzen Einblicke in ihre familiäre Situation und so konnte ich ihre Gefühle und Gedanken noch besser verstehen. Die beiden waren einfach völlig normal und aus dem Leben, ohne dieses typisch traumatische Gepäck, das Ermittlern meist auf den Rücken geschnürt wird. In Verbindung mit den sehr lebendigen Dialogen hatte ich das Gefühl, ein Teil ihrer Geschichte zu sein. Die Ermittlungen sind von Beginn an sehr spannend und authentisch geführt und waren aufgrund der Temperaturen am Polarkreis zunächst ein nervenaufreibender Wettlauf gegen die Zeit. Als dann der Prolog zur grausamen Gegenwart wurde, war es auf der einen Seite zwar keine Überraschung, jedoch hat die Autorin über viele Kapitel Hoffnung und Zuversicht gestreut, so dass ich die Verbindung der Stränge als großen Schockmoment erlebt habe. Die kurzen Kapitel und die damit einhergehenden Wechsel der Perspektiven haben mich immer auf Augenhöhe der Story gehalten und mein Mittendrin Gefühl zusätzlich verstärkt. Mit dem Gefühl einer gelebten Erinnerung hat die Autorin mir das Schicksal der Eltern von Amanda beschrieben. Die tiefe und erschütternde Verzweiflung der Mutter, aber auch die von Rache und Selbstzweifel durchzogene Position des Vaters hat mir immer wieder ein Tränchen, aber auch einen Gänsehautschauer beschert. So gingen Gefühl und Spannung Hand in Hand durch die verschneiten Straßen, Wege und Berge und haben mich nur so durch die Seiten gezogen. Bis zu den letzten Seiten lag eine Vielzahl von Möglichkeiten vor mir, was mit Amanda geschehen ist und meine Gedanken wurden immer wieder mit unterschiedlichen Varianten befeuert. In einer von Spannungen nur so pulsierenden Zielgerade hat die Autorin noch einmal das ganz große Besteck der Krimi-Kunst ausgepackt. Eine der Hauptfiguren geriet in große Gefahr und die Auflösung war eigentlich so einfach, dass sie mich alleine dadurch völlig begeistert hat. Ich freue mich jetzt schon sehr auf ein Wiedersehen mit Hanna und Daniel und kann dieses Buch als perfekten Reihenauftakt nur wärmsten empfehlen.
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