Seite wählen

Elternhaus I Jennifer Mentges

Matthias: In den Verlagsvorschauen vom Fischer Verlag ist mein Blick sofort an diesem sehr atmosphärisch gestalteten Cover hängengeblieben. Ein kurzer Blick in die Leseprobe und mir klar, dass ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Die folgende Rückseite des Buches ist wirklich nur ein Appetitanreger und zeigt bei weitem nicht, was in diesem Buch steckt. 

Der Klappentext / Die Rückseite des Buches:

Abend für Abend zieht es Barpianist Tobias Hansen zu einer seit Jahren leerstehenden alten Villa in einem noblen Hamburger Elbvorort. Er parkt, bleibt im Auto sitzen und blickt für einige Minuten zum dunklen Haus hinüber. Bis zu dem Tag, als Yvette Winkler mit ihrer Familie einzieht. Yvette will mit der alten Villa ihren Traum vom perfekten Zuhause verwirklichen. Und einen Neustart wagen – auch für ihre in Schieflage geratene Ehe.Tobias Hansen freundet sich schnell mit den Winklers an, gibt den Kindern Klavierunterricht und geht bald mit großer Selbstverständlichkeit bei ihnen ein und aus. Lange ahnt niemand, wen sie wirklich in ihre eigenen vier Wände gelassen haben. Bis zu dem Abend, als er mit Yvette und den Kindern allein im Haus ist …

Meine Meinung:

Begleitet von einer unbeschreiblichen Atmosphäre, tauche ich in die Leben der unterschiedlichen Protagonisten ein. Da ist  Barpianist Tobias Hansen, der gemeinsam mit  seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn Theo in einem wunderschönen, an der Elbe gelegenen Haus wohnt. Doch in seinem Leben scheint nicht alles in Ordnung zu sein, denn er verbirgt Geheimnisse vor seiner Freundin und vor der Welt. Er ist fasziniert und gefesselt von einem alten leerstehenden Haus, das ihn immer wieder wie fremdgesteuert anzieht. Dann lerne ich Yvette, ihren Mann und vier Kinder kennen, die nach vielen Jahren nun wieder nach Hamburg ziehen möchten. Ein Haus ist schnell gefunden. Eine alte und sehr herrschaftlich anmutende Villa, die jedoch einiges an Renovierung benötigt, doch das spielt für Yvette keine Rolle und so zieht die Familie an die Elbe. Das Protagonisten-Ensemble komplettiert zunächst noch die Zugehfrau Consuela Strunz. Vorne mexikanisch, hinten hanseatisch. Consuela geht den Frauen in den großen Häusern zur Hand. Putzt, wäscht, bügelt und passt auch mal auf die Kinder auf. Doch Consuela ist einsam. Sie wohnt alleine und hat nur Buttercremetorte und ihre Puppen. Was sich zunächst etwas verwirrend anhört, ist von der ersten Seite an von guter Autorenhand geführt. Frau Mentges zeigt schon nach nur wenigen Seiten die Bandbreite unserer Sprache und welche Atmosphäre und Bilder Worte zaubern können. Dadurch hatte ich das Gefühl, in wechselnden Sichtweisen entweder ein stiller Beobachter zu sein oder mit den Charakteren regelrecht verschmelzen. Nach Yvettes Neustart in Hamburg verbinden sich Stück für Stück die einzelnen Leben wie durch eine Fügung oder wie das Leben halt so spielt. Tobias kommt als Klavierlehrer in das Haus, und Conzuela wird Yvette von einer Freundin vermittelt und fühlt sich vom ersten Tag an wohl in dem großen Haus und in der liebevollen Familie. Eine scheinbar heile Welt. Doch der Schein trügt und der Autorin gelingt es,  eine heimelige Welt zu zeichnen und gleichzeitig immer wieder Nadelstiche zu stetzen die mir nicht nur immer wieder  Gänsehautmomente beschert haben, sondern, die  mich beklemmend und mich leichtem Schauer vor dem Buch sitzen ließen. Der spannende Strom der Story wird in gutem Timing immer wieder von zeitlichen Rücksprünge unterbrochen, in denen man einen Jungen und seine Familie in dem hochherrschaftlichen Haus kennenlernt. Spätestens da konnte ich die Verzweigungen dieses Thrillers erahnen, doch das hat weder der immer noch sehr aufgeladenen Atmosphäre, noch der Spannung geschadet. Es ist ohnehin kein Thriller, wo aus dem Nichts der Clown aus der Schachtel springt und einem einen vor Spannung die Atmung stockt. Dieses Buch kommt auf leisen Sohlen daher und verbreitet seine Faszination mit  düsteren Wortwolken und davon, wie Tobias sich langsam in das Leben der Familie schleicht, sich dort ausbreitet, Unfrieden stiftet und sich dort wie ein Blutegel, den keiner bemerkt, vollsaugt. Was ist sein Plan? Das ist die Frage, die mich wie auf Schiene durch diesen Thriller zieht. Auch Yvette spricht immer mal wieder von ihrem Geheimnis, dass jedoch sehr schnell enttarnt war – oder ist das auch wieder nur ein psychologisch kluger Schachzug der Autorin? Am Ende hat die Autorin dann noch einmal das große Besteck aufgefahren und der ruhige Fluß dieses Thrillers wird zum reißenden Strom und lässt mich mit großem Erstaunen und weiten Augen vor diesem Buch sitzen. Ein spannender, fein gestrickter Thriller, der wieder einmal zeigt, dass man auch mit kleinen Instrumenten große Klangwelten erzeugen kann. 4,5 von 5 Sterne

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Elternhaus

Autor*in: Jennifer Mentges
Seiten: 414
Veröffentlicht: August 2022
ISBN: 3651025551
Verlag: FISCHER Scherz
Copyright: FISCHER Scherz