Matthias: Nach dem ich in diesem Jahr schon verschiedene Bände von Kurzgeschichten gelesen habe, war ich natürlich sehr neugierig, was der norwegische Erfolgsautor Jo Nesbo dazu in seinem Sortiment hat. Langsam habe ich auch den Eindruck, dass während des Lockdowns die Autoren in ihren Schubladen aufgeräumt haben und so die Werke, bei denen es nicht zu einem ganzen Buch gereicht hat, nun als Kurzgeschichte auf den Markt bringen. Die Überschrift “Eifersucht” konnte ich mir sehr gut als sehr facettenreiches Thema vorstellen und der folgende Klappentext klingt auch na Jo Nesbo wie ich ihn kenne und mag. An dieser Stelle möchte ich dem Ullstein Verlag ein Kompliment für die einfach aber wie ich finde, wunderschöne Buchgestaltung machen. Alleine der passend blaue Buchschnitt ist ein Highlight.

Der Klappentext:

Der Athener Ermittler Nikos Balli, ein Spezialist für das Mord-Motiv Eifersucht, ist seit dem Verlust seiner großen Liebe ein Getriebener. Auf der Insel Kalymnos soll er einen Vermissten finden, Julian. Er und sein Zwillingsbruder Franz waren in dieselbe Frau verliebt, Helena, Tochter eines Gastwirts der Insel. Es kam zum Streit, und seitdem hat man Julian nicht mehr gesehen. Sein Handtuch wurde am Strand gefunden, ist der junge Mann beim morgendlichen Schwimmen ertrunken? Balli ermittelt und stößt auf immer mehr Beweise, dass Franz seinen Bruder ermordet hat – aber dann wird Julian gefunden, gefesselt und entkräftet in einer Höhle. Doch wo ist Franz? Balli muss all sein Gespür aufbringen, seine eigene schmerzvolle Erfahrung nochmals durchleben, um den Kampf der Zwillinge um Helena zu stoppen …

Meine Meinung:

Sieben Kurzgeschichten – heißt in diesem Fall auch sieben Mal Jo Nesbo Wohlfühlschreibstil pur. Schon die ersten Seiten hat er mich ergriffen und durch alle Geschichten nicht mehr vom Haken gelassen, und so tauche ich ein in die Welten von: Einem zufällig nebeneinander sitzenden Pärchen in einem Flugzeug – dem Experte für Eifersucht Nikos Balli – stehe in der Schlange an der Kasse – bin mit Ivar auf seinem Müllwagen unterwegs – bin zu Besuch einer sehr reichen Familie – begleite den Autor Odd in einem Teil von seinem Leben – und fahre Taxi, in dem ich einen Ohrring finde. Bei allen Kurzgeschichten waren die Protagonisten sehr gut und passend gewählt. Natürlich war auch der typische Nesbo Protagonist Typ “einsamer Wolf” mit von der Partie. Von den insgesamt sieben Geschichten sind zwei etwas länger, jedoch für meinen Geschmack und unter der Überschrift „Kurzgeschichte“ zu lange. Hier ist Herr Nesbo oftmals in die Welt der Literatur oder Mythologie abgebogen, was einfach nicht nach meinem Geschmack war und für mein Dafürhalten die Story auch nicht gebraucht hätte. Die dann noch fünf anderen Geschichten waren auf den Punkt und hatten alles von einer sehr guten Kurzgeschichte, wie ich sie kennen und mittlerweile auch lieben gelernt habe. Die Storys gleiten zunächst alle dahin und haben mir ein mit der ganz feinen Nadel gestricktes intensives Wohlgefühl vermittelt, bis der Autor dann oftmals ohne jede Vorwarnung den Hund von der Leine gelassen hat und aus dem Nichts das Gefühl der Eifersucht zugebissen hat. Ich war mehrmals völlig ergriffen und vor allem wie unterschiedlich das Ventil der Eifersucht Dampf aus dem Kessel gelassen hat. Ich habe mir zuvor noch nie so viele Gedanken zu dem Thema gemacht und war überrascht, wie facettenreich und intensiv es sich auslebt. “Eifersucht” treibt die Menschen zu sehr verschiedenen Handlungen oder Taten an. Sie stärken Mordfantasien oder bestärken die Ausführung dessen, was sie tun möchten. Wie es durch alle Altersschichten kriecht- vor keiner gesellschaftlichen Ebene halt macht.  Bei den einzelnen Charakteren spielt Herr Nesbo auch sehr abwechslungsreich und perfekt mit dem Intensitätspedal des Gefühls der Eifersucht – mal stärker, mal schwächer, mal total durchgedrückt. Bis heute muss ich immer mal wieder an die einzelnen Geschichten aus dem Buch denken, so intensiv haben mich diese kleinen Geschichten bewegt und die Erkenntnis, was für eine Kraft Ein einziges Wort doch haben kann. Es war halt wieder einmal ein Nesbo mit dem Prädikaten intensiv und brillant. 4 von 5 Sterne.