Matthias: In den Vorschauen habe ich “Die Bestatterin von Kilcross” von Anne Griffin entdeckt. Das sehr farbenfrohe Cover, sowie ein kurzes Reinschmökern in die Leseprobe haben mich neugierig gemacht und ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Jeanie und ihrer Bestatterfamilie weitergeht.
Der Klappentext / Die Rückseite des Buches:
Jeanie Masterson ist die Tochter des Bestatters in dem beschaulichen irischen Städtchen Kilcross. Von ihrem Vater hat sie die Gabe geerbt, mit den Verstorbenen sprechen zu können und deren letzten Wünsche entgegenzunehmen. Diese Fähigkeit verleiht ihr einen besonderen Status, zugleich bedeutet sie aber auch eine große Bürde: Denn sie muss entscheiden, welche Botschaften sie den Verbliebenen übermittelt und welche sie lieber für sich behält. Als ihre Jugendliebe Fionn nach London geht, fühlt Jeanie sich zum Bleiben verpflichtet, weil sie hier in Kilcross gebraucht wird. Aber vergessen kann sie ihn nie.
Meine Meinung:
In dem kleinen beschaulichen Ort Kilcross führt die Familie Masterson seit Generationen ein Bestattungsunternehmen. Für die Eltern ist es nun Zeit, sich in den wohlverdienten Ruhestand zurückzuziehen und der nächsten Generation den Staffelstab zu übergeben. Die Tochter Jeanie und auch ihr Mann Nail sind beide Bestatter und schon viele Jahre die fleißigen Händen des Familienunternehmens. Der Gedanke, das Unternehmen alleine zu leiten, ist für Jeanie eine große Herausforderung. Schon seit frühester Kindheit sind die Toten im Haus ein Teil ihres Lebens. Die Veränderung, das alles ohne ihre Eltern durchzustehen, macht ihr Angst. Es ist jedoch nicht nur die Angst vor der Verantwortung Unternehmerin zu sein, sondern vor allem alleine mit der Gabe zu sein, die ihr Vater und auch sie in sich trägt. Beide können mit den Toten sprechen und sind so die letzte Möglichkeit den Angehörigen Dinge mitzuteilen, die den Toten noch wichtig waren. Das alles belastet nicht nur die junge Seele der Frau, sondern auch ihre Ehe. Ist die Bestatterin von Kilcross zu sein das Leben, von dem sie immer geträumt hatte? Wie in weiche Wolken gepackt, nimmt mich der warme Schreibstil der Autorin an die Hand und platziert mich als stiller Beobachter an der Seite von Jeanie. Schon von nach wenigen Worten war ich erfasst von dem wunderschön beschriebenen Örtchen Kilcross und von der Offenheit, mit der mir die Autorin gleich von Beginn an einen Einblick in die Seele der jungen Frau gab. Da gab es zum es zum einen ihren Alltag, in den Familienunternehmen wo geübten Rädchen ineinander griffen, die damit verbundene Sicherheit, aber auch die damit immer verbunden Zweifel, was hätte sein können, wenn sie an den Weggabelungen ihres Lebens einen anderen Weg gegangen wäre. In Zeitsprüngen führt mich die Autorin zurück in die Kindheit von der heute fast dreißigjährigen Jeanie und zu dem Punkt, an dem sie mit Fionn die erste große Liebe ihres Lebens traf und auch zu einer Entscheidung, die immer mit der “was wäre, wenn..“ Frage einherging. So wandle ich zwischen den Zeiten der jugendlichen Unbekümmertheit, aber auch der Ernsthaftigkeit, die das Leben als Tochter eines so außergewöhnlichen Bestattungsunternehmens mit sich bringt. Im Verlauf der Geschichte und wie von Moll Akkorden begleitet, erfahre ich immer wieder, welch Fluch und gleichzeitig Segen es für die junge Frau ist, selbst mit den Toten sprechen zu können. Damit einhergeht immer die Zerrissenheit, welche Nachrichten der Verstorbenen sie wiedergeben soll und welche durch den Tod besser mit begraben werden sollten. Die Momente der Kommunikation mit den Toten waren von einer unglaublichen Intensität und auch einer Intimität, die mich ganz besonders berührt hat, und gaben diesem Roman eine Note von Melancholie. In der Spirale ihres Lebens sind auch die angestauten Emotionen ihres Ehemanns ein Thema, das mit vielen ungeklärten Fragen und Unsicherheiten auf beiden Seiten immer wieder durch die geschickte Hand der Autorin von der Haupt – zur Nebenrolle wurde und umgekehrt. Es war eine ständige emotionale Achterbahn und der großen Frage, was, wenn sie sich damals anders entschieden hätte. Wird sie am Ende durch sich selbst oder das Schicksal die Antworten erhalten? Es war auch schön zu sehen, mit welcher Leichtigkeit und Selbstverständlichkeiten die Autorin mit dem Tod umgegangen ist und hat ihn als etwas völlig Normales, aber dennoch als etwas ganz besonders einfließen lassen und ihn als das dargestellt, was er ist, als ein wichtiger Teil des Lebens. Das Ende war leider eine kleine Enttäuschung, denn es hat auf mich einen sehr konstruierten Eindruck gemacht und damit die Natürlichkeit verloren, von der das Buch nahezu durchgehend gelebt hatte. Oder war es einfach die Enttäuschung, weil ich mir ein anderes Ende erhofft hatte? Von meiner Empfindung für das Ende einmal abgesehen, ist es ein wunderschöner Roman, der zeigt, dass die Gegenwart die wichtigste Zeit im Leben ist.
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