Matthias: Nach einer sehr langen Lesepause war 2019 “Harz” von Ane Riel eines der ersten Bücher, das mich wieder in die Welt der wundervollen Bücher zurückgebracht hat. Bis heute gehört dieses Buch zu den Geschichten, die ich nie vergessen werde. Nun ist “Biest” das neue Buch der Autorin erschienen und hat sofort mein Interesse geweckt. Auf dem Cover steht: Selection: “Ausgezeichnet”, “Ungewöhnlich”, “Erstklassig”. Na, da bin ich ja mal gespannt, ob das Buch halten kann, was das Cover verspricht.
Der Klappentext / Die Rückseite des Buches:
Unten am Fluss versteckt sich ein Biest. Flüsternd erzählt es einer Krähe von dem Mädchen, das aufgehört hat zu atmen, obwohl es doch nur mit ihr kuscheln wollte. Das Biest heißt Leon und niemand weiß, woher Leon seine übermenschlichen Kräfte hat. Seine Mutter und sein bester Freund Mirko wissen aber, wie schwer es ihm fällt, sie zu kontrollieren. Die Geschichte, die dazu geführt hat, dass sich Leon jetzt am Fluss verstecken muss, handelt von Einsamkeit und Verzweiflung, von wilder Liebe und davon, wie in einer einzigen Nacht alles schiefgehen kann. Es ist die Nacht, die Mirko und Leon für den Rest ihres Lebens aneinander bindet. „Biest“ ist tragisch, aufregend, warmherzig und humorvoll. Eine modernes Märchen über das Anderssein und die Geschichte einer schicksalhaften Freundschaft.
Meine Meinung:
Bei dieser Rezension saß ich untypischerweise sehr lange vor dem blinkenden Cursor des Laptops, da es mir sehr schwer fiel, das Gelesene in Worte zu fassen. Ich werde jedoch wie immer mein Bestes geben, Euch das Buch und vor allem die tiefen Gefühle zu vermitteln. Ich lande in einem Ort und einem Land, das nicht näher benannt ist und in einer Zeit, wo das Automobil gerade dabei ist, das Pferdegespann abzulösen. Leon sitzt einsam an einem Fluss – es ist etwas schiefgegangen. Mirko hat ihm gesagt, wenn was schiefgeht, treffen sie sich am Fluss. So sitzt Leon da und erzählt seine Geschichte einer Krähe. Leon ist anders. Er hat kraft-übermenschliche Kraft. Er berührt und streichelt gerne flauschig weiche Tiere. Er mag es, wenn das pelzige Tierchen unter seinen Fingern kitzelt. Manchmal streichelt und liebkost er sie zu heftig. Sein Körper besteht schon von Geburt an nur aus Muskeln -eine Laune der Natur. Kräfte, die er nicht dosieren kann, sein Geist hingegen ist jedoch der eines Kindes und genau mit diesem Blick sieht Leon die Welt. Eine schicksalshafte Nacht vor vielen Jahren verbindet Leon und Mirko miteinander und sie laden mich ein, ihrer Geschichte zu lauschen. Der Schreibstil ist ein ruhiger Fluss und lässt mich langsam und im Wechsel in die Leben von Mirko, Leon und seiner Mutter Danica eintauchen und lerne ihre ganz unterschiedliche Geschichten kennen und begleite sie im fließenden Wandel durch die Zeiten und den Entwicklungen ihrer Verbindung zueinander. Die Geschichte ist eine vielseitige Mischung aus Drama und Familienepos und hat mich ohne Anlauf an die Hand genommen und dabei die ganz große Klaviatur der Gefühle gespielt. Das Thema anders sein und die damit einhergehende Ausgrenzung, Ablehnung und Zurückweisung sind mit viel Sensibilität und großem Gefühl ausgearbeitet. Abgerundet wurde die Story durch die Beschreibungen der schroffen Natur, der Einsamkeit der Höfe, dem langsamen Aufbruch in die neue Zeit mit motorisierten Fahrzeugen und Telefon und über allem schwebte der feste Glaube an Gott. Das Buch hat die große Tendenz, einen in eine tiefe Melancholie versinken zu lassen und die Welt grau in grau erscheinen zu lassen. Da war die Machtlosigkeit der Mutter im Umgang mit Leon, die geheimen Gefühle von Mirko, die tiefe Freundschaft zu Leon, dann wieder der Blick durch die Augen von Leon, der sich seiner Besonderheit nicht bewusst war und seine kindliche Naivität, die tief aus dem Herzen kam mir so sofort wieder die Welt in bunten Farben erscheinen ließ. Alle Protagonisten sind zu Beginn eher wie Strichmännchen gezeichnet und entwickeln sich im Fortlauf der Kapitel zu äußerst kraftvoll und facettenreich ausgearbeiteten Charakteren, die mich gefesselt und mitgerissen haben. Was wie ein Roman beginnt, entwickelt sich zu einem Drama mit unendlich tiefen Gefühlen und einem ganz großen Kino mit mehr als einem Tränchen am Ende. Das Buch ist ein ganz besonderer Leseschatz und zeigt, wie bedingungslos Freundschaft und Liebe sein kann. 5 von 5 Sterne.
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